Über einen medizinischen Eingriff in meinen Körper, nichts anderes ist eine Impfung: ein Eingriff in das Immunsystem, entscheide ich ganz alleine. Das muss ich weder begründen noch muss ich mich dafür rechtfertigen. Die aufgeheizte Debatte in Deutschland verlangt aber nach einer theologischen Refexion, und weil sich die Amtskirchen darum drücken, will ich versuchen, eine öffentliche Orientierung zu geben.
Ich lasse mich aus Gründen der politischen Ethik nicht impfen. Ich bin kein Arzt und urteile demnach nicht als Mediziner. Aber ich habe mich mit einer befreundeten kurdischen Ärztin mehrmals ausgetauscht. Auch sie wird sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen, aus gut begründeter Angst vor Neben- und unerwünschten Langzeitwirkungen. Mit der Infektion hat sie Erfahrung, beruflich wie persönlich: sie ist genesen.
In Deutschland und anderswo versuchen zunehmend Politiker und Verbandsfunktionäre das Meinungsbild zu bestimmen. Gegenmeinungen werden als Verschwörungstheorien, Sondervoten oder blanker Unsinn, wenn nicht gar als rechtsradikal abgetan. Das ist weder demokratisch noch wissenschaftlich, denn Demokratie und Wisssenschaft leben vom Diskurs: von der Rede und Gegenrede, von Beweisen und Gegenbeweisen bis vorläufig eine mehrheitsfähige Übereinkunft gefunden worden ist. Bei COVID-19, so sagen diese Politiker, ist es anders: die einen haben einfach recht, die anderen sind völlig im Unrecht. Ich bin Theologe, die Begriffe für diese Haltung in meiner Disziplin sind Rechtgläubigkeit (Orthodoxie) und Ketzerei (Häresie).
Von Orthodoxie und Häresie zu sprechen macht Sinn, immer wenn es um Weltanschauung und Bekenntnis geht. Ich z. B. bekenne mich zur Dreifaltigkeit, zur Augsburger Konfession und zur Ehe als Schutz der Liebe zwischen Mann und Frau. Aber ganz ausdrücklich bekenne ich mich NICHT zu irgendeiner staatlich vorgeschriebenen Moral und zu staatlich gesetzten Glaubens- und Herrschaftsansprüchen. Ich bin schließlich kein Mitglied einer staatlich bevorzugten Amtskirche! Meiner christlich-lutherischen Grundüberzeugung widerspricht es, wenn der Staat sich als Hüter der Wahrheit und eine Kirche oder Moscheegemeinschaft sich als Speerspitze der gesellschaftlichen Ordnung aufspielt. Die Freiheit des Einzelnen, das ist meine Grundüberzeugung als lutherischer Christ und Demokrat, endet erst dort, wo die Freiheit meiner Mitmenschen anfängt.
Ich bin bereit, eine Maske zu tragen, um meinen Nächsten zu schützen – oder ihm zumindest dieses Gefühl zu geben, auch wenn ich den Sinn der Maske bezweifle. Ich bin bereit, für meine Mitmenschen staatliche Restriktionen zu erdulden, auch wenn ich deren Ziel verurteile. Aber ich bin NICHT bereit, Mobbing und Druck nachzugeben, wenn ich dadurch meine eigene Freiheit verliere. Je mehr der Staat mir droht, desto entschiedener verteidige ich meine Freiheit und Selbstbestimmung.
Kurzum: die “Freyheith eines Christenmenschen” (Luther) nehme ich ganz selbstverständlich für mich in Anspruch. Oder: ich lasse mich nicht impfen, weil ich mich nicht mobben lasse. Es mag wohl sein, dass ich dadurch zum Ärgernis für manche werde, aber zum Leben gehört das Gebasht-Werden und Aufstehen.
Politiker mögen mir drohen, mich zum Feind erklären und ihre Mitläufer mobilisieren. Impfen lasse ich mich deswegen nicht, jedenfalls nicht freiwillig; vielleicht unter Zwang, aber dann nur körperlich, niemals aus Überzeugung.
Warum ich mich nicht Impfen lasse? Ich hab’s erklärt. Warum lasst ihr euch impfen?