Niemand weiß, wann der Herr wiederkommt

December 10th, 2022

An dem Kind in der Krippe scheiden sich die Geister bis heute

Eine Adventspredigt, gehalten am 10 Dezember 2022 in Siegen

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. In der Epistel für den morgigen dritten Adventssontag, im 1. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth im 4. Kapitel heißt es:

Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird.

Liebe Kinder, liebe Erwachsene, Christen und Unentschlossene, Kirchenferne und Andersgläubige.

Ich gebe gerne zu, wenn mich jemand warten lässt, ist das nicht so mein Ding. Das geht vermutlich auch euch und Ihnen so. Warten auf die Rückgabe einer Klassenarbeit, auf das Ende der Maskenpflicht im ÖPNV oder auf ein Paket; da fällt mir so vieles ein. Und während wir warten, stellen wir uns vor, der Moment, auf den wir alle warten, ist bereits da: Die neuen UGG Boots sind angekommen, die Masken fallen, die Ampel tritt zurück, und plötzlich ist das alles nicht mehr so wichtig. Es gibt neue Wünsche, und wieder warten wir.

Wenn man sieht, mit was sich die Leute die Zeit bis Weihnachten vertreiben, will man kaum glauben, dass der Advent für Christen eine Fastenzeit ist. Die liturgische Farbe in den Kirchen ist violett: die Bußfarbe. Daran erkennt man, dass es beim Advent nicht um einen Zeitvertreib geht, sondern um eine Vorbereitung, ein Sich-auf-den-Weg-machen. Wenn der Herr kommt, steckt wesentlich mehr dahinter, als wenn der Paketbote endlich kommt und die vorige Woche aufgegebene Bestellung bringt. Die Christen wollen vorbereitet sein. So gesehen, macht das Plätzchenbacken, das Geschenke-Kaufen und Grußkarten-Schreiben doch Sinn: Zu Weihnachten will man niemandem etwas schuldig bleiben. Es soll Friede herrschen, und das ist ja schließlich auch das Motto hier und heute, einen Tag vor dem dritten Advent: “Gemeinsam für eine Welt in Frieden”.

Du bist Kurde, du hast kein Land. Du bist Russe, du hast den falschen Präsidenten – und du als Ukrainer auch. Du bist weiß. Du hast die falsche Religion. Du bist ein Verschwörer, und du bist ein Schwurbler. Das ist Alltag. Davon will man im Advent eigentlich gar nichts hören, denn es passt so wenig in die Zeit wie wie der schamhaft kaschierte Werbewürfel über der Tannenspitze auf dem Siegener Weihnachtsmarkt. Aber wenn es im Advent falsch ist, warum ist es dann im Rest des Jahres richtig?

Ich bin kein Freund davon, notwendigen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Fakt ist, an dem Kind in der Krippe, auf das der Stern von Bethlehem hinweist, scheiden sich die Geister bis heute. Nicht jeder ist guten Willens. Aber das Dissen und Canceln gehört zu jener Dunkelheit, die wir mit dem Licht der Welt, mit Christus also, überwinden können – und damit komme ich zum Kern der Sache: Der Mittelpunkt unseres Glaubens ist, dass Gott in Jesus Christus zu uns gekommen ist, und dass er wiederkommt. Daher sollen wir die Augen offen halten, die Dinge sich entwickeln lassen und darauf vertrauen, dass Gott treu ist, uns nicht verstößt oder einem ungewissen Schicksal überlässt. Wir sollen unser Menschenmögliches tun und den Rest Gott überlassen, sonst wird es schräg.

Niemand weiß, wann der Herr wiederkommt. Unfruchtbare Spekulationen darüber bringen uns ebenso wenig weiter wie Verschwörungstheorien, die das Böse in der Welt nicht erklären können. Wenn man im Dunkeln die Straße entlang geht, kann man nur so weit sehen wie das Licht reicht. Aber weil Christus unser Licht ist, brauchen wir keine Angst vor der Zukunft zu haben. Er bringt uns sicher zum Ziel. Verplempern wir auf dem Weg dahin nicht unsere Zeit mit Anklagen und Beleidigungen. Unrecht gilt es selbstverständlich beim Namen zu nennen, und unsere Solidarität gilt immer den Verächtlich-Gemachten.

Kümmern wir uns also um die, die unsere Zuwendung brauchen, und machen wir uns das Leben nicht gegenseitig schwer. Helfen wir uns untereinander und versuchen, Frieden zu stiften, wo Zank und Streit herrschen. Das ist die beste Art, den Advent zu feiern, und zwar weit über Weihnachten und Ostern hinaus. Keiner von uns kennt die Zukunft. Niemand weiß, wann Christus wiederkommen wird; wir kennen weder Tag noch Stunde. Halten wir also die Augen offen, bleiben wach und vorbereitet und warten es ab. Gott wird so manche Überraschung für uns parat haben.
Amen.

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