Volltanken auf Rumänisch – ab in meine persönliche Komfortzone

March 18th, 2021

Rund 3 Jahre lang haben wir Vokabeln gepaukt und Grammatik gebüffelt. Heute ist Rumänien für mich ein echter Wohlfühlraum.

Dr. Hildegard Dengel war uns stets eine strenge und facettenreiche Lehrerin: nicht nur Aussprache stand auf ihrem Lehrplan, sondern auch die Geschichte Rumäniens und sehr viel Landeskunde.

3 Jahre, die sich gelohnt haben: Rumänien ist mir zur Wohlfühlzone geworden.

Im Januar 2009 war es dann endlich soweit: wir bekamen unsere Teilnahmebescheinigungen und der amtierende Freudenberger Bürgermeister eine Lektion in Rumänisch:

“Im Rumänischen steht der unbestimmte Artikel vor dem Wort, aber der bestimmte Artikel ist ein Suffix.” Daraufhin gestand Bürgermeister Günther ein: “Es ist heftig, wenn man nach 6 Jahren Schulfranzösisch in Frankreich volltanken will und plötzlich wie der Ochs vorm Berge steht.”

Faceţi-mi vă rog plinul! Bitte volltanken auf Rumänisch.

Den Tank vollbekommen: kein Problem!, auch wenn ich zwischen Timișoara und București meistens mit dem Zug unterwegs bin. Aus einem unbekannten Land ist mir eine echte Komfortzone geworden, und hin und wieder besuche ich die Gottesdienste der rumänisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Siegen.

Während sprachlich manches in Vergessenheit geraten ist, sind Interesse und Zuneigung geblieben. Rumänien ist ein faszinierendes und widersprüchliches Land voller Reichtümer, Schönheiten und Abgründe. Eine romanische Sprache, direkter Erbe des klassischen Lateins, mit diversen slawischen Lautmerkmalen. Lebensfrohe Leichtigkeit, gepaart mit der Tiefgründigkeit orthodoxer Spiritualität. Die Landesgeschichte ist kompliziert. hin und hergeworfen zwischen Okzident und Orient, wovon auch die vielen Mythen und Sagen zeugen. Naturwunder, eine erstaunliche Architektur und eine ursprüngliche Landschaft. Ich bin nicht der einzige, der davon nicht mehr loskommt.

Übrigens kandidierte ich 2009 auch für das Bürgermeisteramt. Aus diesem Anlass führte die rumänische Journalistin Karina Gheorghe ein Interview mit mir.

Interview mit Rainer Beel
Fragen: Karina Gheorghe*

Karina Gheorghe: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, im Bereich Politik tätig zu werden?

Rainer Beel: Ich bin schon immer politisch interessiert gewesen, aber sich zu engagieren? Ich stehe in manchem sicherlich links; zum Beispiel was den Gerechtigkeitsgedanken angeht. Vom Hintergrund und meinem Selbstverständnis her bin ich aber bürgerlich; und auch in vielem sehr wertkonservativ.

Meine erste Prägephase war in den 80er Jahren. Ich hörte damals Nena und wählte grün. Eine zweite hatte ich Anfang der 90er. Ich war zu der Zeit am Siegerlandkolleg, und dort waren es vor allem zwei Lehrer, die aus dem Funken Interesse das Feuer Engagement entfachten. Auch der Zusammenhang zwischen dem, was in einer Gesellschaft gilt und ihrem Erscheinungsbild wurde mir mehr als deutlich. So begann ich kurz entschlossen das Studium der Theologie statt der Politik. Englisch hatte ich sowieso machen wollen. 1998 trat ich der UWG bei. Die gibt es heute nicht mehr. Ein bisschen Protest und Unzufriedenheit mit den Verhältnissen hier vor Ort steckte auf alle Fälle dahinter. Ein Jahr später wurde ich Bürgermeisterkandidat der UWG. Das war natürlich noch zu früh.

Aus welchen Gründen möchten Sie nun nach 10 Jahren im Stadtrat für das Bürgermeisteramt kandidieren? Welches sind die Beweggründe Ihrer Kandidatur zum Bürgermeister?

Mich erschüttert der schleichende Niedergang, denn ich liebe meine Heimatstadt sehr. Es ist höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Die Freudenberger sollen wieder sagen können, daß es schön ist, hier zu leben. Als Bürgermeister möchte ich jeden Tag präsent sein und die Dinge voranbringen.

Sie sagten, Sie wollten die Kommunalpolitik ganz an den Nagel hängen. Warum haben Sie sich letzten Endes doch umentschieden?

Sicherlich hätte ich einen Schlußstrich ziehen können. 10 Jahre Opposition, 10 Jahre Aufzeigen von Alternativen und 10 Jahre der Abwehr nicht nachvollziehbarer Entscheidungen sind genug. Danach muß es weitergehen, oder es dreht sich alles im Kreis.

Leute, auf deren Meinung ich viel gebe, haben mich davon überzeugt, jetzt noch einmal als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Die Zeit sei reif für eine Veränderung – und ich denke, sie haben recht.

Sie sagten, es gehe nun um alles oder nichts: Bürgermeisteramt oder Abschied von der Kommunalpolitik. Was gedenken Sie zu tun, wenn Sie Abschied von der Kommunalpolitik nehmen müssten. Welche Alternativen / Zukunftspläne haben Sie?

Beruflich würde sich zunächst nichts ändern. Politisch schon. Ich habe mich noch nie irgendwo aufgedrängt. In meinem Leben haben sich die Dinge bisher immer ergeben. Darauf setze ich auch weiterhin. Ich bin jetzt 42, ledig und flexibel genug, um noch mal was ganz anderes anzufangen.

Warum denken Sie, dass Sie die richtige Person für das Bürgermeisteramt sind?

Ich bin nicht nur parteilos, sondern auch parteiunabhängig. Ich bin verläßlich und konfliktfähig, ich kann ziemlich hartnäckig sein und weigere mich, in Schablonen zu denken. Selbst meine Gegner sprechen mir Entschlossenheit und persönliches Engagement nicht ab. Das alles möchte ich nutzen, um das Amt mit Charakter zu führen.

Welche Pläne haben Sie, wenn Sie die Kandidatur zum Bürgermeister gewinnen?
Was wollen Sie bewegen in Freudenberg?

Als Bürgermeister möchte ich ganz einfache Dinge tun. Ich möchte dafür sorgen, daß unsere Schulen in Ordnung sind, und daß in den Ämtern nicht nur verwaltet, sondern auch beraten wird. Ich möchte mich darum kümmern, daß man überall instand gehaltene Straßen vorfindet und die Grünanlagen wieder einladend aussehen.
Außerdem habe ich vor, unseren Kommunalpolitikern auf die Finger zu schauen.

Freudenberg hat einen mittelalterlichen Stadtkern. Den zu erhalten und mit neuem Leben zu erfüllen, würde ich als meine Aufgabe betrachten.

Aber Freudenberg hat auch viele Ortsteile mit jeweils eigener Geschichte und eigenem Charakter. Ich denke, daß es an der Zeit ist, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln: Holzklauer und Alcher, Bühler und Büscher, Bottenberger, Lindenberger und Heisberger, Oberfischbacher, Heuslinger und Niederndorfer, Dirlenbacher, Flecker und Plittershagener, Mausbacher und Hohenhainer. Nur zusammen sind wir stark.

Wie lange dauert Ihr Amt, wenn Sie die Wahl gewinnen würden? Wen würden Sie dann ablösen und nach wie langer Zeit?

Die Amtszeit des Bürgermeisters ist verlängert worden. Ich würde 6 Jahre, also bis zum Herbst 2015 im Amt bleiben und müßte mich dann erneut zur Wahl stellen. Ablösen würde ich Eckhard Günther, der seit 1999, also schon seit 10 Jahren im Amt ist.

*Die Journalistin Karina Gheorghe lebt in Temeswar/Timişoara.

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