Um ihren guten Ruf gebracht

January 11th, 2023

Die Siegener Zeitung hat sich erneut um ihren guten Ruf gebracht. Wer nicht linientreu denkt, ist dem Blatt ein Dorn im Auge und einen Schmähartikel wert. Intelligente Menschen meiden die Siegener Zeitung besser.

Neulich traf ich jemanden, der mir sagte, die Menschheit müsse das Klima regeln: Um 1,5 Grad dürfe die Temperatur noch steigen, aber dann sei aber auch Schluss; andernfalls müssten wir alle sterben. Ein Querdenker? Die Vorstellung, dass man das Klima anhalten, quasi einfrieren kann, kam mir sehr quergedacht vor. Aber wer legt eigentlich fest, was ein Querdenker ist?

Was ein Längs- oder Liniendenker ist, glaube ich zu wissen. Einer, der auf Linie ist und längs dieser Linie denkt; einer, der nicht ausschert. Längsdenker verlassen eine vorgegebene Richtung nicht so leicht; denn zuerst müsste man ihnen eine neue Denkrichtung vorgeben. Für Mächtige – und solche, die es werden wollen – sind Längs- oder Liniendenker sehr wertvoll und überaus nützlich, denn Längsdenker sind bequem: Sie lassen sich leicht führen. Zwar sind Längsdenker nicht loyal, denn Loyalität ist eine Tugend, aber sie sind berechenbar.

Ich bin niemals ein Längsdenker gewesen. Als Querdenker habe ich mich allerdings auch nie begriffen. Ich bin lieber verlässlich als berechenbar, und ich denke lieber gewissenhaft als quer oder längs. Die Gewissensfreiheit ist ein sehr hohes Gut, das ohne andere Freiheiten wie Religions- und Meinungsfreiheit völlig entwertet wird.

Man stelle sich vor, eine Tageszeitung macht sich daran, das Internet (und dort vor allem die Kommentarspalten und sozialen Medien) nach allem zu durchforsten und zu durchkämmen, was geeignet ist, Menschen, die in ihren Fokus geraten, öffentlich zu diskreditieren. Wie würde man die Herausgeber und Redakteure einer solchen Zeitung nennen? Jeder von uns hat sich schon in Debattenlandschaften auf Telegram oder Twitter, auf Instagram oder Facebook verrannt und sich dort unangemessen geäußert. Jemandem daraus einen Strick drehen zu wollen, ist nicht nur heimtückisch, sondern auch völlig antiliberal: Andere sollen eingeschüchtert werden. Seid vorsichtig, was ihr sagt und schreibt, sonst geht es euch genauso. In Wahrheit aber diskreditiert sich damit diese Tageszeitung und ihre Denunziationen fallen auf sie selbst zurück.

So laß man am Wochenende in der Siegener Zeitung, an der Hauptschule Wilnsdorf unterrichte eine Lehrerin, die “in der Querdenker-Szene aktiv” sei. Als Beweis wurden Texte aus Online-Chats abgedruckt. Darin stand wenig Sensationelles. Man erfuhr lediglich, dass die Chatteilnehmer an vielem zweifeln, was von der Regierung und der WHO kommt, und dass sie davon ausgehen, dass sich der Volkszorn irgendwann ungehindert Bahn bricht. Für die Siegener Zeitung Grund genug zu fragen, ob man die Lehrerin nicht besser auf die Straße setzt. Wer lateral statt auf Linie denkt, ist der Siegener Zeitung ganz offensichtlich ein Dorn im Auge – und einen halbseitigen Schmähartikel wert. Intelligente Menschen meiden das Blatt also besser.

Bestimmt ist es so, dass einiges, was jeder von uns täglich von sich gibt, im Stil befremdlich und inhaltlich fragwürdig ist. Wer sich aber die Hände reibt, wenn Denunzianten Chatverläufe filzen und Auszüge daraus veröffentlichen, um Menschen zu schaden, der hat keinen Grund, sich als besserer Mensch zu fühlen. Die Siegener Zeitung, die gerade ihr 200-jähriges Jubiläum feiert, hat sich einmal mehr selbst um ihren guten Ruf gebracht.

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