Halloween oder Reformationsfest?

December 9th, 2017

Monster, Kirche, Fegefeuer

Halloween und seine christlichen Ursprünge

von Rainer Beel und Dr. Jeffrey Myers

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Es wird geliebt oder gehasst, aber nur selten verstanden. Was ist das für ein Fest, über dessen Herkunft man so wenig weiß? Fakt ist: Halloween ist weder ein Konsumfest noch stammt es aus Amerika. Vielmehr geht es geht zurück auf alte europäische Allerheiligenbräuche, in den USA ist nur groß rausgekommen. Jetzt ist es wieder da, und es erfüllt sogar einen sozialen Zweck.

Was hat es mit Halloween auf sich?

Die Menschen im mittelalterlichen England und auch in anderen katholischen Ländern glaubten, dass über Allerheiligen und Allerseelen die Toten noch einmal für zwei oder drei Tage aus dem Fegefeuer zurückkehren würden, um ihre Angehörigen um Fürbitte zu ersuchen. Früher begann der neue Tag nicht Punkt Mitternacht, sondern abends. Deshalb kommt der Nikolaus auch heute noch in vielen Gegenden am Vorabend des 6. Dezembers, und jeder weiß, dass Weihnachten mit dem Heiligen Abend beginnt. Das Wort ‘hallow’ kommt vom altenglischen ‘halga’ (Heiliger) und mit e’en sagte man zum Vorabend eines Feiertages. Vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es kein Anzeichen dafür, dass man in Halloween etwas anderes sah als den Abend, an dem die Glocken den Gedenktag der Heiligen einläuteten. Erst danach, mit der Romantik, traten Geister, Hexen und Feen auf den Plan. Heute ist Halloween ein Fest der Phantasie. Hier der Geruch von Schminke, dort der Geschmack von Karamell; überall Kinder und Erwachsene, die ihre Träume feiern und ihre Albträume zum Vorschein bringen.
Das traditionell christliche Fest hat weit mehr zu bieten hat als nur Rüben oder Kürbisse, Süßigkeiten und Spukgeschichten.

Halloween ist das einzige christliche Fest, das in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat. Aber statt es neu für sich zu entdecken, lehnt die Kirche den alten Brauch empört ab. Dahinter steckt die Sprachlosigkeit der modernen Theologie, wenn es um die Frage nach Tod und Auferstehung geht. So ist Halloween eine Art Waisenkind geworden, und Esoteriker, Neuheiden und Satanisten adoptieren es nur allzu gerne.

Gesellschaftlicher Zweck

Statt vor grimmigen Kürbisfratzen zu warnen und gegen bunte Papierhexen zu wettern, sollten sich die Gegner des wiederentdeckten Fests die soziale Komponente von Halloween neu vor Augen führen. Es würde etwas verloren gehen, wenn das Fest plötzlich aus dem Kalender verschwände, denn auch in ländlichen Regionen wachsen heute Kinder heute auf, ohne die Namen der Nachbarn zu kennen. Die Entfremdung, die für Erwachsene unangenehm ist, macht Kindern Angst. Mit Fremden spricht man nicht. Vielleicht sind sie böse. Aber auch Erwachsene, die selber keine Kinder haben, empfinden Misstrauen.

Durch das Halloweenfest kann dieses Misstrauen ausgetrieben werden. Das Trick or treat ist keine Bedrohung, und vor der Tür stehen keine Missetäter. Das Trick or treat kommt von verkleideten Kindern, die sich getraut haben, an fremde Türen zu klopfen. So gesehen handelt es sich dabei um eine Einladung, Ängste zu überwinden und sich ein bisschen weniger fremd zu werden.

Wer sich zu Halloween als Skelett oder Geist verkleidet, demonstriert darüberhinaus eine gehörige Portion Respektlosigkeit, gegenüber dem Tod, der durch die unendliche Liebe Gottes seine Gewalt über uns verloren hat. “Tod, wo ist dein Stachel? Totenreich, wo ist dein Sieg?” (1Kor 15,54-55).

Rainer Beel; Studium der Theologie, Anglistik und Pädagogik an der Justus-Liebig-Universität Gießen

Mattern

Zum Umgang mit Halloween, oder:

Zehn gute Gründe, Halloween zu feiern

von Pfarrer Dr. Jeffrey Myers, Wiesbaden

Nicht umsonst gehört das Kinderfest „Halloween“ zu den schönsten
Kindheitserinnerungen eines Amerikaners. Weder Kommerz noch Konsum, weder Grusel noch Grauen müssen im Mittelpunkt des Festes stehen

1. Als Kinderfest trägt Halloween Licht in die dunklen Herbsttage hinein.

2. Aus dem ausgehöhlten, leuchtenden Kürbis kann eine gesunde Kürbissuppe
oder eine leckere Kürbistorte werden.

3. Ob beim Kürbisschnitzen in der Familie oder beim beliebten “Trick-or-Treat”-
Rundgang im Kreis der Freunde am Abend, stiftet das Kinderfest Halloween
Gemeinschaft.

4. Halloween lädt ein, den Zusammenhang mit Allerheiligen und dem Reformationsfest
zu entdecken sowie über den Umgang mit Angst und Tod nachzudenken.

5. Das Halloweenfest kann man zum Anlass nehmen, etwas Karitatives zu tun,
wie z.B. die Aktion “Trick-or-Treat for UNICEF” zu unterstützen.
Seit 1953 haben Kinder bei diesem “Trick-or-Treat”-Programm mehr
als 100 Millionen Dollar gesammelt.

6. Halloween lädt ein, sich mit dem Symbol des Kürbisses in der christlichen Kunst
(als Abbild für die Kürze und Hinfälligkeit des Lebens, aber auch wegen der
großen Zahl seiner Kerne als Symbol der Fruchtbarkeit und der Auferstehung)
zu befassen. Im Kindergarten kann man die Jona-Geschichte gut erzählen,
in der – so der Reformator Martin Luther – Jona Schatten und Schutz von
der Staude des Kürbisses fand.

7. Das Basteln (nicht Kaufen!) eines Halloween-Kostüms fördert Kreativität
und Phantasie. Dabei sind Grusel und Schrecken nicht erforderlich.

8. Das Fest Halloween erfüllt das uralte Bedürfnis, noch einmal “auf den Putz
zu hauen” vor dem kommenden Winter.

9. Durch die Auseinandersetzung mit Halloween wird man sich der “dunklen”
Seiten des Festes und somit des Lebens bewusster: Grusel und Gewalt,
Kommerz und Konsum. Diese rufen wiederum nach der Orientierung und
der Geborgenheit, die ein fester Glaube gibt. Vor Konsumterror und
oberflächlichem Spaß erscheinen die Anliegen der Reformation aktueller denn je.

10. Und last but certainly not least: Halloween hilft gegen ein verfrühtes
Weihnachtsfest. Im Goldenen Oktober freut man sich viel mehr, eine lächelnde
Kürbisfratze statt eines blinkenden Weihnachtsbaumes im Schaufenster zu sehen.

ShoWi12

Ein bisschen Wissenschaft

Warum Halloween kein keltisches Fest ist

Rainer Beel

Über ein keltisches Totenfest Ende Oktober/Anfang November gibt es keine Quellen. Was man weiß: Die Kelten siedelten nicht nur auf den britischen Inseln, sondern in ganz Mitteleuropa – und weit darüber hinaus, z. B. in der Türkei: Die vom Apostel Paulus bekehrten Galater waren Kelten, die aus Europa nach Anatolien eingewandert waren. Nirgendwo im ehemaligen Siedlungsgebiet der Kelten haben andere Völker die Tradition eines solchen Totenfest übernommen und fortgeführt. Weder die Germanen noch andere. Allerdings gibt es überall im ehemaligen Siedlungsgebiet der Kelten ähnliche Traditionen, die ohne Ausnahme auf christliche Allerheiligenbräuche zurückgehen.

Am Anfang standen also keine druidische Aktivitäten, sondern die Lehren der Kirche.

Erickson und Sunderland (s. Link unten) gehen zwar unkritisch mit der Kelten-Legende um, verweisen aber zu Recht auf indianische Elemente, z.B. den Kürbis: “Some elements, however, have a distinctively Native American heritage. One key symbol-the pumpkin-was unknown to Europeans before Columbus. But it was part of the sacred trinity of native American foods: squash, beans and maize, which appears in the form of candy corn and the corn shocks that decorate front porches.”

Die europäische Version des Jack-O’Lantern war eine Rübe. Rübengeister kannte man z. B. auch im südwestfälischen Büschergrund (ich komme aus der Ecke), aber auch in vielen Orten des Westerwalds, im Taunus, in Thüringen und in Schwaben, wo ich Verwandtschaft habe. In den USA wurde aus der Rübe ein Kürbis, der damit das einzige uramerikanische Element des modernen Halloweenfests ist.

Halloween ist ein ursprünglich kirchliches Ereignis, das sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert hat.

Hallo10.d

“Trick-or-was?”

Von Pfarrer Dr. Jeffrey Myers, Wiesbaden

Nicht nur der Zauberspruch von Halloween – “Trick-or-Treat” – stößt hierzulande oft auf Un- und gar Missverständnis, sondern überhaupt der Inhalt des Festes am All-Hallow´s-Eve (31. Oktober).

An Halloween in den USA steht weder Horror noch Shopping an erster Stelle, sondern das “Trick-or-Treating”: der Abendspaziergang auf den Straßen, ein Ritual, das als eine Mischung aus St. Martin und Fasching zu verstehen ist. Kinder dürfen in ein Kostüm schlüpfen und einmal im Jahr in eine andere Welt eintauchen. Auf Kreativität und Phantasie wird gesetzt, etwa beim Kürbisschnitzen und Spielen in der Familie und im Kindergarten. Der abendliche Spaziergang mit Freunden im Spätherbst, wo man auf andere Freunde trifft – verkleidet und mit Süßigkeiten, Münzen und kleinen Geschenken in der selbst gebastelten Tüte – und Nachbarn und Verwandte besucht, gehört zu den schönsten Kindheitserinnerungen eines Amerikaners. Nicht wenige Menschen nehmen dieses Fest zum Anlass, etwas Caritatives zu machen, wie die Aktion “Trick-or-Treat for UNICEF” zu unterstützen.

Übrigens: Die christlichen Kirchen brauchen keine Angst vor Halloween zu haben. Die Frage “Halloween oder Reformationsfest?” wird fälschlicherweise als ein Entweder-oder formuliert; die beiden Ereignisse, die gemeinsame historische Wurzeln haben, spielen sich heute auf zwei verschiedenen Ebenen ab. Der Grund für einen Rückgang des Christentums hierzulande soll man nicht in Halloween suchen. In den USA z.B., wo Halloween das drittgrößte Fest bildet, werden zahllose kleine Prinzessinnen und Batmans mit ihren Familien am Reformations-Sonntag im Gottesdienst zu finden sein. Das Motto “Trick-or-Treat” nimmt also nichts weg vom Motto der Reformation: “Ecclesia reformata, semper reformanda!”

Hallo10.b
Links zum Thema:

..: theology.de: Halloween
..: What’s Behind Halloween
..: History of Halloween: Myths, Monsters and Devils
..: Bibliography

3 thoughts on “Halloween oder Reformationsfest?

  1. Pingback: Falscher Dualismus | Beel Online

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